Presse: Medaille "ein gutes Ergebnis"
Tischtennis-WM in Paris
Quelle: 13.05.13, www.derwesten.de, Ralf Birkhan
Die deutschen Tischtennis-Nationalspieler gehen zum Nachmittags-Training, Timo Boll geht zum Schwimmen. Der 32-Jährige ist die Nummer fünf der Weltrangliste. Die WM in Paris, die an diesem Dienstag beginnt, ist bereits die 13. Weltmeisterschaft für Boll. „Im Laufe der Jahre ändert sich die Vorbereitung“, sagt der Spitzenspieler von Borussia Düsseldorf.
WAZ: Sie trainieren heute weniger als früher?
Timo Boll: Nicht weniger, aber anders.
Im Schwimmbad?
Boll: Dabei geht es um Fitness. Genau wie beim Fahrradfahren. Statt einer Einheit mit dem Schläger nehme ich mein Fahrrad und arbeite an meiner Kondition. Meinen Hund brauche ich dabei allerdings nicht mehr mitzunehmen, der kommt nicht mehr mit.
Hat er es mal geschafft?
Boll: Manchmal. Nach den Olympischen Spielen in London fand ich es schwer, mich zu motivieren. Die Spannung fiel ab, ich habe einige Sachen schleifen lassen und im Januar erstmal zwei Wochen Urlaub gemacht. Ich musste den Kopf wieder frei kriegen.
Ein Urlaub ganz ohne Tischtennis-Platte?
Boll: Absolut ohne, und das war eigentlich zu lang. Manchmal sind drei Tage ohne Schläger und Ball schon zu lang. Aber die Pause musste sein, und das Aufbauen der Form für die WM war danach sehr hart. Es hat zwei Monate gedauert, und es kamen immer wieder kleine Verletzungen dazwischen.
Demnach tut Ihnen nach 15 Jahren in der Weltklasse morgens beim Aufstehen alles weh?
Boll: Gar nicht, nach meinen Umstellungen im Training geht es. Die Kraft- und Dehnübungen zahlen sich offensichtlich aus. Vor sieben oder acht Jahren war das Aufstehen am Morgen dagegen zeitweise ganz schön bitter. So gesehen läuft es gut.
Das klingt nicht nach schweren Gedanken ans Karriere-Ende.
Boll: Warum auch? Wenn alles gequält wäre, dann würde es nichts mehr bringen. Aber so ist es eben nicht. Mir macht Tischtennis weiterhin Spaß, ich bin motiviert für die WM, und ich verdiene mit meinem Sport auch noch meinen Lebensunterhalt. Was will ich mehr? Ich fand es auch nicht schlimm, dass Michael Schumacher mit 40 Jahren noch einmal Formel-1-Rennen gefahren hat.
Hat Ihr Trainingsaufbau nach der langen Pause denn gereicht für eine gute WM-Form?
Boll: Davon gehe ich aus. Ein gutes Ergebnis ist für mich aber nicht das Viertelfinale. Ein gutes Ergebnis ist für mich eine Medaille.
Dabei ist Paris nicht das beste Pflaster für Sie. Bei der WM 2003 sind Sie dort schon in der zweiten Runde der WM gescheitert.
Boll: Damals hatte ich es in der zweiten Runde auch schon mit Qiu Yike aus China zu tun. Das frühe Aus hat damals sehr weh getan, aber irgendwann in den vergangenen Jahren habe ich in Paris mal ein Einladungs-Turnier gewonnen, der Paris-Fluch ist also längst besiegt.
Aber wie immer bei großen Turnieren werden Sie gegen die Topleute aus China gewinnen müssen, um eine Medaille zu gewinnen. Welcher der sechs Chinesen ist für Sie der stärkste Gegner?
Boll: Das ist Ma Long. Er ist die Nummer zwei der Weltrangliste, und er ist mit Sicherheit der gierigste Spieler der Chinesen auf einen Einzeltitel, denn der fehlt ihm noch in seiner Sammlung.
Ausgerechnet Ma Long wartet bereits im Viertelfinale auf Sie.
Boll: Erst muss ich ins Viertelfinale kommen, dann sehen wir weiter.
Und nach der WM gönnen Sie sich wieder zwei Wochen Urlaub?
Boll: Nein, das Thema Urlaub war für mich mit dem Januar erledigt. Ich habe für den Sommer wieder einen Vertrag bei einem chinesischen Erstligisten unterschrieben und werde bis zum Bundesliga-Auftakt im September dort gegen die chinesischen Topleute spielen.