Presse: Boll, der Eroberer
Die Chinesen lieben den Deutschen
Spiegel Online
Tischtennis ist in Deutschland nur eine Randsportart. Ein Weltstar wie Timo Boll reicht nicht. Nun soll der große Wurf im Ausland glücken, der chinesische Markt lockt. "SPONSORS"-Autor Steffen Guthardt analysiert die Chancen der Fernost-Offensive.
Tischtennis ist der Volkssport Nummer eins - zumindest in China. Der kleine, weiße Ball zieht die chinesische Bevölkerung landesweit in den Bann. Über 300 Millionen Hobbyspieler und TV-Reichweiten von insgesamt weit über 100 Millionen Haushalten pro Spieltag zeugen davon.
Dagegen stehen hierzulande die Übertragungen der Deutschen Tischtennisliga (DTTL) im Deutschen Sport-Fernsehen (DSF). Spitzenwert: 160.000 Fernsehzuschauer in der Saison 2007/2008 beim Finale zwischen dem amtierenden Meister Borussia Düsseldorf und TTC Frickenhausen. Bei 80 Millionen Deutschen zu 1,3 Milliarden Chinesen natürlich ein gänzlich unfairer Vergleich.
Dennoch, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit möchte das hiesige Tischtennis für sich gerne beanspruchen. Nur wie? An mangelndem sportlichem Erfolg liegt es zumindest nicht, dass Tischtennis in Deutschland eine Fernsehrandsportart ist. Neben dem Aushängeschild Timo Boll, Vierter der aktuellen Tischtennis-Weltrangliste, hat der DTTB ein beachtliches Portfolio an Athleten von Weltklasseniveau.
Die Silbermedaille im Mannschaftswettbewerb bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 unterstreicht Deutschlands Rolle als Nummer zwei in der Welt hinter China", sagt Hans Wilhelm Gäb, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Sporthilfe und zudem Bolls persönlicher Berater. Doch die Frage bleibt: Wieso kann der Sport sein Potenzial nicht bis in die Medien umsetzen?
Um Abhilfe zu schaffen, hat die DTTL seit der Spielzeit 2007/2008 die Münchener Agentur Contenthouse exklusiv mit der Vermarktung ihrer weltweiten Medienrechte betraut. Ein Schritt, der zumindest nicht auf Anhieb Erfolg brachte. Die Agentur um den früheren Premiere-Sportchef Benno Neumüller musste zunächst feststellen, dass sich Sponsoren und Medienanstalten nicht gerade um Werbe- und Medienkooperationen mit der DTTL streiten.
Im Oktober 2007 erklärte die Agentur aufgrund von Finanzierungsproblemen einen vorläufigen Ausfall der Deutschen Tischtennisliga im DSF: "Es ist uns trotz der guten Zuschauerzahlen im Fernsehen und Internet noch nicht gelungen, neue Sponsoren zu finden", sagte Neumüller damals. Die erheblichen Kosten für Personal, Produktion und Verbreitung von rund einer Million Euro pro Spielzeit drückten entsprechend auf die Bilanz.
Was in Deutschland offenbar nicht zu holen ist, soll nunmehr aus Fernost kommen. Die Agentur hat erkannt, dass das tischtennisverrückte China auch für die Vermarktung der Bundesliga eine lukrative Plattform sein kann. Binnen der letzten sechs Monate konnte Contenthouse neue Medienverträge mit gleich drei chinesischen Rundfunkanstalten (Shanghai Media Group, Shenzen TV und GuangZhou TV) vermelden.
Diese werden den in der Volksrepublik wie einen Popstar verehrten Timo Boll und seine Kollegen künftig auf insgesamt vier Fernsehsendern zeigen. Alleine mit den Übertragungen der Shanghai Media Group erzielt die Deutsche Tischtennisliga damit eine Reichweite von über 25 Millionen TV-Haushalten. Zahlen wie von einem anderen Stern, von denen der Vermarkter auf dem heimischen Markt somit nicht einmal träumen kann.
Doch nicht nur bei der TV-Präsenz, sondern auch bei der Suche nach zahlungskräftigen Sponsoren hat die DTTL noch Nachholbedarf. Ein Partner ist der Touristikkonzern TUI, der beim Pokalfinale "DTTB Final Four" Ende Dezember als Titelsponsor in der gleichnamigen Arena in Hannover auftrat. Daneben sitzt noch die Firmengruppe Liebherr im Boot, die das Titelsponsoring beim "European Table Tennis Super Cup" übernommen hat.
Weitere Interessenten sollen durch die neu kreierte "Europe-Asia All Stars Series" gelockt werden, ein Ländervergleich in der Art des Ryder-Cups der Golfer. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg Der ehemalige Opel-Vorstand Gäb glaubt fest daran, dass China-Star Boll für ein Unternehmen, das in der Volksrepublik Geschäfte machen will, der geeignete Werbeträger ist. Als Werbefigur soll Boll cirka 100.000 Euro kosten.